Westfälische Biographien




Philipp Haerten

Bürgermeister

✽ 12.12.1869 in Rotterdam
✝ 04.04.1942

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Philipp Haerten war der Paderborner Bürgermeister der Weimarer Republik. Er wurde in Geldern als Sohn des Fabrikanten Ludwig Haerten geboren. Die Gymnasialzeit am Gymnasium Marianum in Warburg bis zum Abitur 1888  führte ihn bereits in den Paderborner Raum. Das Jurastudium absolvierte er in Freiburg, München, Berlin und Bonn. 1892 folgte die 1. Staatsprüfung, darauf vom 1. Mai des Jahres bis zum Jahresende 1896 das Referendariat, schließlich 1897 das Assessorexamen. Wie sein Vorgänger Plassmann trat er nach mehreren Stellen als Gerichtsassessor in die Kommunalverwaltung über, zunächst als Magistratsassessor in Münster. Das dortige Stadtverordnetenkollegium wählte ihn im Oktober 1901 in den Magistrat, und er wurde Stadtsyndikus. 1909 wählten ihn die Stadtverordneten in Limburg zum Bürgermeister. Als die Wahlperiode abgelaufen war,  beriefen ihn die Paderborner Stadtverordneten  am 16. Mai 1919 zum 1. Bürgermeister. Landrat Friedrich von Laer führte Haerten am 14. August 1919 in sein Amt ein. Bald darauf wurde er zum Oberbürgermeister ernannt. Als die Wahlperiode ablief, wurde er von den Stadtverordneten am 8. Mai 1931 einstimmig für weitere zwölf Jahre gewählt.  Die Wiederwahl zeigt seine Beliebtheit in der Stadt trotz der schweren wirtschaftlichen und politischen Krisen des Staates in den Anfangs- und Endjahren der Weimarer Republik, die auch die Politik der Städte stark belastete. Haerten trat anders als der Vorgänger, Otto Plassmann, nicht dominant, sondern vermittelnd auf. Der Stadtchronist lobte dieses Verhalten im von ihm herausgegebenen Paderborner Anzeiger am 11. November 1919: „Der erste Bürgermeister Haerten hat sich bereits auf den verschiedensten Gebieten eingearbeitet. Wenn er auch nicht mit solcher Geläufigkeit wie sein Vorgänger die Antworten nur so aus dem Ärmel zu schütteln weiß, stößt sein Auftreten doch auf mehr Sympathie und zwar deswegen, weil er den berechtigten Beschwerden, die in den Stadtverordnetensitzungen vorgebracht werden, gegenüber mehr Teilnahme und mehr Verständnis zeigt. Bürgermeister Haerten ist sichtlich bestrebt, den ausgleichenden Mittelweg zu gehen, der uns gerade in der heutigen Papierzeit erst recht 'golden' erscheint". Ein Nachruf nach seinem Ausscheiden aus dem Amt 1933 unter dem Druck der neuen Machthaber hebt als besondere Leistung Haertens hervor, dass er auf gesunde Finanzen geachtet und die Stadt vor leichtsinnigen ─ von den Kommunen vielfach mit kurzfristigen amerikanischen Anleihen finanzierten ─ Investitionen bewahrt habe. Erst in der Konsolidierungsphase der Republik von 1924 bis 1929 habe er sich auf größere Investitionen eingelassen.
Besonders intensiv bemühte Haerten sich angesichts des Wohnungsmangels um den Neustart des Wohnungsbaus nach den frühen Krisenjahren. Die Neubautätigkeit wurde vor allem als Siedlungsbau in den städtischen Randbereichen in enger Kooperation mit der Stadt von den Siedlungsgenossenschaften, vor allem vom Bau- und Sparverein,  betrieben. Die 1825 gegründete „Eigenheim EG Paderborn“ ergänzte den Bau von Mietwohnungen durch Eigenheime .in der Südstadt. Anfang der dreißiger Jahre übertraf erstmals der Zugang an Wohnraum das Bevölkerungswachstum, so dass die Wohnungsnot nun behoben war.  
Ein weiteres Verdienst Haertens war die vierjährige Entwicklung der 1923 von der Stadt übernommenen Reismannschule zur Oberrealschule. Zum Hintergrund gehörte auch ein schon von Haerten vorgefundener Streit mit dem Kreis um die Finanzierung der Lehrerstellen. Weitere Neuerungen im Schulwesen waren der Bau der 1925 anfangs zu klein konzipierten Bonifatius-Volksschule in der Stadtheide, deren Bevölkerung stark anwuchs, sowie 1929 die Verstaatlichung der privaten Pelizaeusschule, die gleichzeitig nach dem Ende der Preußischen Lehrerseminare in das der Reismannschule benachbarte Lehrerinnenseminar einzog, ferner 1920 die Heide-Waldschule als Einrichtung für gesundheitsgefährdete und unterernährte Kinder aus dem Kreisgebiet. Ein großer Fortschritt war auch der Umzug der ganz unzulänglich am Liboriberg und in der alten Domschule an der Hathumarstraße untergebrachten Jugendherbergen für Jungen und Mädchen in  das frühere Bischöfliche Konviktsgebäude am Maspernplatz 1929 bzw. 1930. In Haertens Ägide wurde auch das Berufsschulwesen bedeutend ausgebaut. Die Handwerker-Fortbildungsschule als erste Paderborner Gewerbeschule (seit 1921: Berufschule) führte 1919 Kurse zur Erlangung der Meisterprüfung ein. Die 1925 entstandene Mädchenberufsschule brachte Haerten viel Kritik des bürgerlichen Lagers ein, da sie dem konventionellen Frauenbild widersprach. Letzteres galt verstärkt für das Paderborner NS-Regime, so dass die Stadtverordneten schon im Sommer 1933 den Abbau dieser Schule beschlossen.
Der Umzug des städtischen Altersheims aus dem Südflügel des ehemaligen Gaukirchklosters in den von der Pelizaeusschule verlassenen Westphalenhof an der Giersstraße im Jahr 1930 ermöglichte es, den Klosterflügel zur Stadtverwaltung im Westflügel hinzuzuziehen und etliche verstreute kommunale Ämter an der Grube zu vereinigen. Ärger erzeugte wegen seiner Architektur der heute eher als historisch geschätzte Neubau der Stadtsparkasse neben dem Heisingschen Haus am Marienplatz. Die vom Diözesan- und Dombaumeister Kurt Matern geschaffene moderne und repräsentative Kassenhalle hingegen wurde bewundert. Als privates bemerkenswertes Bauwerk sei das Kaufhaus Klingenthal genannt, das Max Heidrich, der 22 Jahre Werkstättenleiter der renommierten Stadlerschen Möbelwerkstätten gewesen war, 1929 im Stil der Mendelsohnschen Bauten in Berlin errichtete. Das Gebäude verlieh der Westernstraße einen Hauch großstädtischer Urbanität.
Ein weiterer infrastruktureller Fortschritt war das neue Feuerwehrhaus am Liboriberg, mit dem sich auch eine weitere Modernisierung des Feuerschutzes, etwa 1925 der Kauf der ersten motorisierten Feuerspritze, und der Entwicklung der Freiwilligen Feuerwehr verband. Von weitaus größerer Bedeutung waren andere, seit Jahrzehnten versäumte Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur. Zum einen war es der Anstoß zur Anlage eines Kanalisationsnetzes im Jahr 1928, das bis 1933 in einem ersten Bereich fast fertiggestellt war und dem ärgsten Übelstand der Stadt, den ungesunden und stinkenden Abflussrinnen, ein Ende bereitete. Zum anderen sicherte seit 1929 das neue, von Max Heidrich erbaute Sennewasserwerk die zukünftige Versorgung mit gutem Trinkwasser, die im Gegensatz zur Abwasser-Ableitung schon seit Jahrzehnten vorbildlich war. Weil das Werk anfangs unzureichend arbeitete, erntete es über Jahre heftigste Kritik, vor allem im Einmann-Blatt „Der grobe Paderborner“ des Ingenieurs Anton Vonderbeck.
Weiteren Streit gab es wegen des Vertrages mit dem Zementverband zuungunsten des bisher florierenden Zementwerkes. Finanziell erwies sich der Vertrag aber als äußerst günstig für die Stadt.
Mit der Machtergreifung des NS-Regimes 1933 war der dominierende Einfluss des Zentrums in Paderborn beseitigt, was auch die Stellung Haertens unhaltbar machte. Er zog daraus die Konsequenzen und bat den Regierungspräsidenten im Juli um seine Entlassung. Diese geschah am 1. November.  


Zur Person

Vater: Ludwig Haerten

Quellen

­­Klaus Hohmann (Hg.), Stadt im Aufbruch. Der lange Weg Paderborns zur modernen Stadt 1850 – 1939, PB 1998; Norbert Hackethal, Epoche der Neuanfänge. Die Jahre 1921 – 1965, in: Wilhelm Hemmen, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Reimann-Schule Paderborn 1888 – 1988, PB 1988; Martin Wagner, Oberbürgermeister Philipp Haerten, „Heimatbote“, 6. Jg., Dez. 1933

Empfohlene Zitierweise

Klaus Hohmann: Philipp Haerten. In: Westfälische Biographien, hrsg. von Altertumsverein Paderborn und Verein für Geschichte Paderborn. Online-Ausgabe unter http://www.westfälische-biographien.de/biographien/person/1079 (Version vom 01.08.2016, abgerufen am 10.05.2025)

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